Am 10. September feiert Joachim A. Langs MACKIE MESSER – BRECHTS DREIGROSCHENFILM seine Berlin-Premiere. Am 13. September 2018 kommt er in die deutschen Kinos.
Joachim A. Lang ist hier ein ganz besonderer Film gelungen. Vielschichtig, märchenhaft, fantasievoll, dokumentarisch, gesellschaftskritisch – alle diese Attribute treffen auf den Film zu und beschreiben ihn doch nur unzureichend. Man könnte auch sagen: Große Kunst.
Auf jeden Fall trifft die FSK-Einstufung voll zu: Besonders wertvoll!
Allerdings wird dem Zuschauer einiges abverlangt. Das ist kein Film, bei dem man sich in den Plüschsessel fallen und berieseln lässt. Um den Film zu verstehen und nicht den Faden zu verlieren, muss man schon die ganze Zeit aufmerksam bleiben. Auch den Gang zur Toilette zwischendurch sollte man sich verkneifen.
Worum geht`s?
Joachim A. Langs Film ist ein Versuch zu zeigen, wie die Verfilmung der DREIGROSCHENOPER hätte aussehen können. Dabei vermischt er ständig die Erzählebenen. Wir sehen Brecht (Lars Eidinger) und Weil (Robert Stadlober) bei der Generalprobe im Berliner Ensembles (1928). Macheath (Tobias Moretti), Peachum (Joachim Krol) und all die anderen im London des 19. Jahrhunderts, dann wieder Brecht im Streit mit dem Filmproduzenten (Godehard Giese) über das Filmprojekt.
Und ganz zum Schluss landet der Film sogar im 21. Jahrhundert. Das Lumpenpack des 19. Jahrhunderts wagt den Aufstand und die Polizei schießt auf sie mit Maschinenpistolen. Wie Zombies gehen sie einfach durch die Polizisten hindurch. Auf einer Brücke werden aus den in Lumpen gekleideten Verbrechern per Morphing Banker in modernen Anzügen. Aus ihren Messern und Äxten werden Aktenkoffern.
Macheath hält am Ende eine Rede, von der Brecht als er sie 1928 schrieb, noch nicht ahnen konnte, dass sie nur Jahrzehnte später kein Wunsch sondern Wirklichkeit ist. „Es Muss erreicht werden, dass die Reichen gute Reiche und die Armen gute Arme werden. Ich bin überzeugt, dass die Gesellschaftsform kommen wird.“
Joachim A. Langs Ziel ist es zu zeigen, dass die DREIGROSCHENOPER, die am 31. August 1928 ihre Weltpremiere erlebte, heute noch genauso aktuell ist wie vor 90 Jahren.
Brecht war nicht nur Anhänger des Kommunismus. Wie kaum ein anderer hat er die gesellschaftlichen Zusammenhänge erkannt und zum Thema seiner künstlerischen Arbeit gemacht. Er war damit auch noch erfolgreich. Die Dreigroschenoper war ein absoluter Bestseller. Ein Welterfolg! Nur wenige Monate nach der Uraufführung wurde sie in unzählige Sprachen übersetzt. Lieder wie „Mackie Messer“ zu weltweiten Hits!
Das führte dann auch zum Interesse der Filmindustrie, die an dem Erfolg partizipieren wollte. Doch Brecht war nicht bereit, nach ihren Regeln zu spielen. „Wer A sagt, muss noch lange nicht B sagen“, so Lars Eidinger alias Brecht im Film. Er wollte den Film nach seinen Vorstellungen realisieren. Die Filmbosse dagegen wollten ein Abziehbild des Bühnenstücks. Unausweichlich führte dies zum Prozess. Brecht verlor ihn und gewann doch gleichzeitig. Was er beweisen wollte, hat er bewiesen: Geld geht vor Kunst, Geld regiert die Welt.
Der Film kam trotzdem nicht zustande, denn inzwischen regierten die Nazis, alle Stücke und Schriften von Brecht wurden verboten. Brecht selbst emigrierte. Über viele Stationen ging es nach Los Angeles, nach Hollywood.
1946 bekam Brecht das Angebot, in den Osten Berlins zurückzukehren. Im Westen blieb er verboten. Sein musikalischer Partner Kurt Weill kehrte nie wieder nach Deutschland zurück.
Joachim A. Lang ist ein außergewöhnlicher Film gelungen. Auf höchstem künstlerischen Niveau, in einer ungewöhnlichen Bildsprache und vielschichtigen Erzählstruktur.
Nicht nur vor der Kamera ist der Film hochkarätig besetzt. Für sein Projekt konnte Lang auch einige der besten Szenenbildner, Masken- und Kostümbildner gewinnen. Für die Bildgestaltung verantwortlich war David Slama! Herausragend auch HK Gruber als Arrangeur! Die Musik wurde unter seiner Leitung vom SWR Symphonieorchester, der SWR Big Band und dem SWR Vokalensemble eingespielt. Dazu betätigen sich die Schauspieler als Sänger im Original Brecht-Weill-Gestus. Genau so, wie sie es 1928 geschrieben haben. „Diese Musik hat immer gefletschte Zähne“, so HK Gruber über die besondere Herausforderung.
Zum Darsteller-Ensemble gehören:
Lars Eidinger: Bertold Brecht
Robert Stadlober: Kurt Weill
Peri Baumeister: Elisabeth Hauptmann
Meike Droste: Helene Weigel
Britta Hammelstein: Lotte Lenja und Seeräuber-Jenny
Hannah Herzsprung: Carola Neher und Polly
Godehard Giese: Seymour Nebenzahl
Tobias Moretti: Macheath
Joachim Król: Peachum
Claudia Michelsen: Frau Peachum
Christian Redl: Tiger Brown
Raiko Küster: Filch
Max Raabe: Moritatensänger
Quelle: Wild Bunch / Fotos: Stephan Pick
© Christian Behring im September 2018