27. April 2024
AIDAprima, 21.06.-26.06.2018

Photo Assistant auf der AIDAprima – langer Anlauf für eine kurze Reise

Am 21. Juni 2018 bin ich von Berlin aus aufgebrochen zu einer Reise mit der AIDAprima, die am 14. Dezember 2018 mit dem Rückflug vom Roten Meer aus nach Berlin enden sollte. Geplant waren also knapp 6 Monate auf einem der größten Kreuzfahrt-Schiffe der Welt, der AIDAprima: 300 Meter lang, 37 Meter breit, knapp 1.000 Mann Besatzung und mehr als 4.000 Passagiere an Bord. Dass ich nach 5 Tagen zum Crew Purser (eine Art Personalabteilung) gehe um den Wunsch zu äußern, von Bord gehen zu können, hätte ich vorher nie im Leben für möglich gehalten. Da hätte ich mir viel Aufwand sparen können. Am Ende wurden es 6 Tage statt 6 Monate.

Aber eins nach dem anderen:

Da meine Einnahmen im vergangenen Jahr so gering waren, dass ich nicht davon leben konnte, hatte ich Ende 2017 vom Jobcenter ein Einzelcoaching bezahlt bekommen, das mir helfen sollte, eine Festanstellung als Fotograf zu finden. Dabei sind wir Anfang des Jahres auf das Stellenangebot von AIDA gestoßen. Im März wurde ich dann von AIDA zum Bewerbungsgespräch nach Rostock eingeladen. Das 1-stündige (!) Gespräch endete damit, dass mir gesagt wurde, welche Hürden noch zu absolvieren sind, bevor es aufs Schiff gehen kann: deutsche Seediensttauglichkeit, Basic Training in Rostock und kurz vor dem Aufstieg noch die italienische Seediensttauglichkeit. Die Untersuchungen beim Arzt sind allerdings eher ein Witz. Wenn man nicht drogenabhängig, blind oder taub ist, wird da jeder durch gewunken. Das Einzige, was ich noch machen musste, war die M-M-R-Impfung. Die Ärzte wissen wahrscheinlich auch, wie dringend die Reedereien deutsches Personal suchen. Meine Angst durchzufallen war völlig unbegründet.

Aber dann kam im April das Basic Training in Rostock.

Das braucht man für den Seefahrer-Ausweis. 6 Tage x 8 Stunden Ausbildung. Theorie und Praxis dazu, was alles auf einem Schiff passieren kann und was dann im Notfall zu tun ist (http://behring-photography.com/alter-hafen-rostock-sued/). Da war ich am Ende froh, dass ich die Woche heil überstanden hab und dachte schon, das Schlimmste liege hinter mir.

Kleiner Vorschlag am Rande: Unterbringung unter gleichen Bedingungen wie später auf dem Schiff (dann hätte ich im April schon gewusst, dass das Nichts für mich ist).

Alter Hafen Rostock Sued, Basic Training fuer AIDA Crew, 10.04.2018
Alter Hafen Rostock Sued, Basic Training fuer AIDA Crew, 10.04.2018 (Photo: Christian Behring)

Anfang Juni gab’s sogar noch einen Foto-Workshop in Hamburg:

für alle neuen Fotografen, die zum ersten Mal auf ein Schiff gehen. Am ersten Tag ging es ums Kennenlernen der Ausrüstung, am 2. Tag gingen wir raus auf die Straße, „on location“ fotografieren (http://behring-photography.com/nikon-school-in-hamburg/). Das war richtig interessant.

In Hamburg erreichte mich plötzlich die Anfrage, ob ich nicht schon früher aufsteigen kann. Mein ursprünglicher Termin für den Aufstieg auf die AIDAprima war ja der 28. Juni 2018, und dann plötzlich sollte es der 8. oder 15. Juni sein. Aber da ich noch nicht alles erledigt hatte, ging das gar nicht. Das ist übrigens auch so ein Punkt, den ich völlig unterschätzt hatte: Was mache ich mit der Wohnung? Wem gebe ich einen Schlüssel? Welche Verträge sollte / kann ich kündigen (Versicherungen, Abos, Telefon, Internet)? Wo lasse ich mein Auto? Was mache ich mit der Post? Wem muss ich noch Bescheid geben? Was muss ich noch kaufen für die Reise (schwarze Schuhe für die Arbeit, Kleidung, Sportsachen, Uhr, Medikamente, Drogerieartikel)? Was muss ich überhaupt einpacken? Kriege ich überhaupt alles in den Koffer und den Rucksack? Laptop, Fotoapparat?

NIKON SCHOOL, HAMBURG, 05.06.2018
Foto Walk der kuenftigen AIDA-Fotografen, NIKON SCHOOL HAMBURG, 05.06.2018

Donnerstag, 21. Juni 2018 sollte es losgehen: 14.50 Uhr ab Tegel über Wien nach Barcelona. Aufstieg auf die AIDAprima am Freitag.

Anscheinend stand die Reise aber von Anfang an unter keinem guten Stern: ich saß noch in der S-Bahn, da zog über Berlin ein Unwetter rein, so dass sich der Abflug  schon verzögerte. Auf dem Flug gab es dann auch noch ein paar schöne Turbulenzen. In Barcelona ging es dann ins Hotel. Abendessen bestand dann aus ein paar vertrockneten Nudeln, aber das war ja noch harmlos. Im Hotel hatte eine Firma eine Party für ihre Mitarbeiter, die dann nachts um 4 Uhr lautstark über den Flur stolperten.

Freitag um 8 Uhr ging`s los mit mehreren Autos zum Hafen für uns zum Einchecken.

Erst durch die Kontrolle, genau wie alle Passagiere. Dann zum Crew Purser: Papiere abgeben, Papiere, Checkkarte und Mütze entgegennehmen. Dann vom Foto Manager auf die Kabine gebracht, anschließend zum Einkleiden. Erst 4 Hosen probiert, keine passende dabei, die zu große musste ich nehmen. Aber immerhin ein passendes Shirt und Hemd (für abends). Danach erst mal was essen und trinken in der Messe. Dann wollte ich mir noch was zu Trinken kaufen, aber die Chipkarte war nicht freigeschaltet. Also wieder zum Crew Purser. Als die Karte freigeschaltet war, war allerdings die Crew-Bar geschlossen. Überhaupt das Trinken: da es im ganzen Schiff unheimlich heiß ist, laufen ständig und überall die Klimaanlagen auf voller Stärke. Deshalb muss man eigentlich immer was zum Trinken dabei haben. Das kannte ich bisher so gar nicht. Deshalb ist es mir ein paar Mal passiert, dass ich nichts mithatte. So wie Freitagabend und Samstag früh bei der Arbeit.

15.30 Uhr stand die erste Schulung auf dem Programm. Auf Englisch, ich hab fast nichts verstanden von diesem Fachchinesisch. Gegen 17 Uhr bin ich ins Fotolabor, um meine Arbeit anzutreten. Mit einem Kollegen ging es dann in den einen Shop, der 18 Uhr öffnete, anschließend in den 2. Shop, bis 23 Uhr. Weil am Samstag die meisten Passagiere von Bord gingen, hat der Shop am Abend vorher extra länger auf.  Anschließend sind wir alle ins Fotolablor, dort gab`s die Dienstpläne für den nächsten Tag. Das hieß für mich: 7.30 Uhr Treffpunkt Fotolabor, anschließend in den Terminal, mobiles Fotostudio aufbauen. Kurz vor Mitternacht war ich dann in meiner Kabine. Das Schiff befand sich inzwischen auf dem Weg von Barcelona nach Palma de Mallorca. Und das bekam ich voll zu spüren, denn meine Kabine war auf Deck 1, direkt an der Maschine, zumindest vom Gefühl her: laut, alles vibrierte, dazu die Air Kondition, die so gut wie nichts brachte. Obwohl auf die kälteste Stufe gestellt, waren es wohl 30 Grad. Trotz Schlaftabletten habe ich dann vielleicht 1 oder 2 Stunden geschlafen. Und gerade eingeschlafen ging der Wecker los.

Samstag dann also der erste Fototermin.

Bis 14 Uhr standen wir im Terminal, um die ersten Fotos der ankommenden Passagiere zu machen. Danach Freizeit bis zum Ende des WM-Spiels der Deutschen. OK, dachte ich, kann man noch mal versuchen, ein paar Stunden zu schlafen. Alles, was dabei rauskam, war eine halbe Stunde. 21.45 Uhr dann der Drill. Auf Deutsch: Evakuierungsübung mit allen Passagieren, oder fast allen, ein paar haben das wohl verschlafen. Anschließend ins Fotolabor, Kamera schnappen und in den Beach Club, ein paar Partybilder machen. Geplant waren 30 Minuten, tatsächlich waren es wohl 2 Stunden. Feierabend war deshalb weit nach Mitternacht. Schlafen!!! Aber wie? Wie soll man denn so schnell auf gleich Schlaf finden? Immerhin wurden es am Ende so 5 Stunden.

Denn am Sonntag musste ich erst um 9 Uhr meinen Dienst antreten.

Leider hatte ich nicht daran gedacht, dass es dann kein Frühstück mehr gibt. Deshalb gab es nur einen Kaffee und ein Wasser. Das Erste, was auf dem Programm stand: Schulung (Erste Hilfe) im Crew Trainingscenter. Also, rauf auf Deck 3, vorlaufen und runter auf Deck 0. Anschließend in den Shop auf Deck 7. Um die Mittagszeit zum ersten Foto-Termin im Brauhaus (Freibier-Anstich). Keine Ahnung mehr, wo das war, ich bin nur dem Kollegen hinterher gelaufen. Nach dem Mittag kurze Pause um die Sachen zu wechseln. Also aus der Messe auf Deck 3 runter in die Kabine auf Deck 1. Mit den dreckigen Klamotten rauf auf Deck 3, vorlaufen und runter auf Deck 1 zum Tailor. Um 15 Uhr gab es das nächste Training. Wieder auf Englisch und wieder fast nichts verstanden.

Anschließend zum Crew Purser. Eigentlich wollte ich nur nach einer ruhigeren Kabine fragen. Von den Kollegen hatte ich vorher aber schon gehört, dass das wohl schon der ruhigste Teil des Schiffes wäre. Also, was soll ich machen? Deshalb hab ich für mich den Entschluss gefasst, dass es keine andere Lösung gibt, als das Schiff zu verlassen. Ich hatte auch das Gefühl, dass mir der Kopf platzt. Wir sind dann zum Hospital, erst mal Blutdruck messen. Und tatsächlich war der viel viel viel zu hoch. Danach zum HR Manager (so was wie Personalchef), einen Termin für den nächsten Tag machen.

Ab 17 Uhr dann Dienst nach Plan: in den Shop bis 22 Uhr und anschließend zur Beach-Party, Fotos von den Gästen machen bis 23 Uhr. Mit Extra-Tablette konnte ich dann etwas besser schlafen, ist aber eigentlich verboten, Schlaftabletten zu nehmen. Schließlich muss man im Ernstfall den Alarm hören.

Montag: Tag der Entscheidung.

Um 9.30 Termin beim HR Manager, gemeinsam mit Foto Manager. Nochmal die Frage, ob ich wirklich sofort runter will oder noch einmal eine Woche Bedenkzeit haben will. Da AIDA generell Niemanden so einfach kündigt, musste ich ein Kündigungsschreiben verfassen.

Für den Rest des Tages habe ich dann noch Dienst nach Plan versehen: vormittags Drill (nur für die Crew), abends Shop und Partybilder. Zwischendurch Koffer packen, zum Crew Purser, Plan für Ausschiffung und Abreise abholen.

Dienstag nach dem Frühstück:

Kleidung und Bettwäsche abgeben, Taschen zur Kontrolle bringen, beim Crewpurser Liste abgeben, gegen Reiseunterlagen eintauschen, 10.30 Uhr Ausschiffung und Fahrt zum Flughafen. Der Rückflug sollte 15.05 Uhr ab Rom über Zürich nach Berlin starten. Das war aber nichts, mehr als 1 Stunde Verspätung! Bei Ankunft in Zürich hieß es dann, ich soll laufen, der nächste Flieger nach Berlin wartet noch auf mich! Ich hab`s auch noch geschafft, mein Gepäck allerdings nicht! Damit nicht genug, fiel auf den letzten Kilometern auch noch die U-Bahn aus. Drei Bahnen später kam ich endlich (kurz vor 10 Uhr) zu Hause an!

Das war meine kurze Abenteuerreise mit der AIDAprima. Für mich steht fest: Schiffsreisen nur noch mit Segelbooten oder in einer vollisolierten Kabine!

Christian Behring, 02.07.2018