19. März 2024
Joy Denalane, Astra Kulturhaus, Berlin, 06.11.2011, Konzert

Joy Denalane – Motown-Soul aus Berlin

Mit “Let Yourself Be Loved” hat die Berlinerin Joy Denalane ihr ultimatives Bekenntnis zum Soul der glorreichen Motown-Ära veröffentlicht.

 Oftmals ist es ja so, dass die Erwartungen, die im Vorhinein von den Plattenfirmen geschürt werden, sich nicht erfüllen. Bei Joy Denalane und ihrem Album “Let Yourself Be Loved” ist es aber tatsächlich so, dass alle Erwartungen restlos erfüllt werden. Da fragt man sich höchstens, wie hat sie das hinbekommen? „Let Yourself Be Loved“ erinnert nicht einfach nur an die glorreichen Zeiten von Motown, die späten 60er bis frühen 70er Jahre. Das Album hört sich an, als käme es direkt aus dieser Zeit. Joy Denalane und ihr Team, allen voran Produzent und Arrangeur Roberto Di Gioia, haben den Motown-Soul wieder zu Leben erweckt.

Deshalb ist es auch nur logisch, dass „Let Yourself Be Loved“ auf dem legendären Motown-Label erscheint. Damit ist Joy Denalane die erste deutsche Künstlerin überhaupt, die auf dem amerikanischen Label ein Album veröffentlicht und sich einreiht in die Riege der größten Soulsängerinnen dieser Welt.

Joy_Denalane_Cover_Album

Um dahin zu kommen, war`s allerdings ein langer Weg.

 Begonnen hat alles im elterlichen Wohnzimmer mit der Plattensammlung ihres Vaters. „Mein Vater besaß Hunderte von Platten“, sagt Joy. „Unser Wohnzimmer wurde von seiner Sammlung dominiert.“ Die kleine Joy verbrachte unzählige Stunden vor den väterlichen Plattenregalen. Die meisten Werke, auf die sie sich jetzt bezieht, kannte sie vom Hören noch bevor sie lesen oder schreiben konnte. Die Soul-, Jazz- und Funk-Platten des Vaters haben sie so schon ihr Leben lang begleitet und geprägt. Die musikalische Richtung, in die sie sich als Künstlerin bewegen würde, war schon früh vorgegeben.

„Let Yourself Be Loved“ ist nach ihren Ausflügen zu Hip-Hop, Rap, Funk, R`n`B und Jazz eine Rückbesinnung zu ihren musikalischen Wurzeln. Die Arbeit an dem Album begann schon vor fünf, sechs Jahren. Noch bevor „Gleisdreieck“ erschien.

 Damals ging sie nach New York, in den Stadtteil Williamsburg, um mit dort beheimateten Songwritern zusammen zu arbeiten. Die Demos, die sie dort  produziert hat, bildeten jetzt die Basis für ihr Album. Als es dann aber an die eigentliche Produktion gehen sollte, fühlte sich irgendwas nicht richtig an. „Wir bekamen den Sound einfach nicht hin, der mir vorschwebte“, sagt sie. „Wir waren gleichzeitig ganz nahe dran und meilenweit vom Ziel entfernt.“ Deshalb ließ sie das Projekt erst einmal wieder fallen. Stattdessen veröffentlichte sie 2017 ihr deutsches Album „Gleisdreieck“.

Joy Denalane, Astra Kulturhaus, Berlin, 06.11.2011, Konzert
Joy Denalane, Astra Kulturhaus, Berlin, 06.11.2011, Konzert

Erst Jahre später kramte Joy die Demos noch einmal raus.

Sie wollte es doch noch einmal versuchen. Jahrelang hatte sie sich den Kopf zermartert auf der Suche nach dem richtigen Produzenten. Dann besann sie sich auf ihren früheren musikalischen Partner Roberto Di Gioia. Mit ihm hatte sie schon in der Freundeskreis-Zeit zusammengearbeitet. Es war ihr einfach lange nicht in den Sinn gekommen, dass genau er der Richtige sein könnte.

Di Gioia gilt als einer der profiliertesten Jazz-Pianisten der Welt. Bereits mit Anfang 20 spielte er mit Leuten wie Johnny Griffin, Art Farmer und Woody Shaw.

Also schickte Joy Denalane ihm die alten Demos. „Eigentlich bat ich ihn nur, sich das mal anzuhören“, sagt Joy, „aber eine Woche später kamen bereits fünf Layouts, die mir die Sprache verschlagen haben.“ Damit war klar, dass er genau der Produzent ist, der Joys musikalische Vision verstanden hat und umsetzen kann.

Im Studio von Jan Krause in München entwickelte sich daraufhin ein Produktionsprozess, den Joy Denalane als einen der besten ihrer gesamten Karriere in Erinnerung hat.

Getrieben von Leidenschaft und der Liebe zum Soul ließen sie maximale Sorgfalt bei der Auswahl der Musiker und der Suche nach den richtigen Instrumenten walten. Deshalb fuhr Di Gioia auch in die Schweiz, um einen Fender Precision Bass von 1966 zu kaufen. Ein ähnliches Modell, wie es der legendäre Funk-Brothers-Bassist James Jamerson auf allen Motown-Aufnahmen verwendet hatte, an denen er beteiligt war. „Ohne den Bass würde das Album nicht klingen, wie es klingt“, sagt der Produzent.

Das Album beginnt mit dem wundervollen, von Streichern und Bläsern durchsetzten kämpferischen  „Wounded Love“.

Es folgt das schwelgerische „Be Here In The Morning“, ein Duett mit dem texanischen Soul-Sänger C.S. Armstrong. „Der Song ist eher zufällig an meinem letzten Tag in New York entstanden“, erzählt Joy. „Wir hatten nur noch wenige Stunden Zeit bis zu meinem Flug, also haben wir einen kleinen Reggae-Jam gemacht, mit dem eigentlich keine besonderen Ambitionen verbunden waren. Was Roberto nun aus diesem Song gemacht hat, konnte ich kaum fassen, als er es mir gezeigt hat.“ In „I Believe“, das Joy gemeinsam mit dem US-Künstler BJ The Chicago Kid singt (u.a. bekannt durch Kollaborationen mit Kendrick Lamar, Kanye West und Anderson Paak), hört man dann tatsächlich den Fender-Precision-Bass besonders gut. Auch in den folgenden Songs spricht aus jeder Note der Motown-Soul. Ganz so, wie man ihn von Marvin Gaye, Aretha Franklin, Stevie Wonder oder Roberta Flack kennt. Besonders überzeugend ist auch das kämpferischen „I Gotta Know“.

Alles, was den Soul jener Zeit ausmachte, findet sich auf Joy Denalanes Album wieder.

Schwelgerische Melodien genauso wie dramatische Arrangement, flirrende Gitarren genauso wie satte Bläser, fette Bässe und zuckersüße Streicher. Joy Denalane hat sich den Motown-Sound ganz so zu eigen gemacht, als hätte es nie andere Musik für sie gegeben. Spätestens mit diesem Album hat Joy Denalane ihren Musikstil gefunden. Mit „Let Yourself Be Loved“ hat sie selbst ein Album geschaffen, das das Zeug zum modernen Klassiker hat und auf jeden Fall ein Wörtchen mitreden dürfte, wenn es um die Alben des Jahres geht.

JOY DENALANE – LET YOURSELF BE LOVED

VÖ: 04.09.2020

Label / Quelle: NIESOLA / MOTOWN / Universal Music

 

© Christian Behring im September 2020