Am Freitag, 4. Februar 2022 veröffentlichte der in Berlin beheimatete Geiger sein neues Album „America“.
Gemeinsam mit seinem Orchester, dem Zürcher Kammerorchester, zeigt er seinen Blick auf Amerika und erklärt uns in einem ausführlichen Gespräch mit seinem Kollegen Marcus Roberts, wie die amerikanische Musik klingt. Das Gespräch ist Teil eines sehr schön gestalteten Booklets. Neben dem Zürcher Kammerorchester, dessen musikalischer Leiter Daniel Hope seit 2016 ist, hat er sich Gäste aus unterschiedlichsten Genres eingeladen. Dazu gehört eben das Trio des Jazz-Pianisten Marcus Roberts, aber eben auch die Berliner Soul-Sängerin Joy Denalane genauso wie die brasilianische Pianistin Sylvia Thereza, der Gitarrist Joscho Stephan und Perkussionist Alexander Ponet.
Anhand von 22 Titeln geht Hope der Frage nach, „… was ist es, das Musik amerikanisch klingen lässt?“ und findet auch umgehend die Antwort darauf:
„Wir erkennen, dass ein Stück aus Amerika stammt, sobald wir es hören.“ Zu den ausgewählten Stücken gehören Werke von Leonard Bernstein, Sam Cooke, Aaron Copland, Duke Ellington, George Gershwin, Florence Price, Samuel A. Ward und des aus Deutschland emigrierten Kurt Weill.
Hope und Roberts – Klassik-Star der Eine, Jazz-Musiker der Andere – haben schon mehrfach gemeinsam auf der Bühne gestanden und Jazz-Musik mit Klassik verbunden. Neu ist jetzt, dass sie das nun auch gemeinsam auf einem Album tun.
Gemeinsam setzen sich Hope und Roberts außerdem für das Schaffen afroamerikanischer Musiker ein.
Sie wollen daran erinnern, welchen Beitrag diese an der Entwicklung der amerikanischen Musik haben. „Eines der zentralen Dinge, die man als Musiker lernt, ist die Fähigkeit, anderen zuzuhören und von ihnen zu lernen“, sagt Roberts. „Wir sollten uns also den Werken dieser Menschen widmen und herausfinden, warum und auf welche Weise sie unsere Anerkennung verdient haben – nicht nur deshalb, weil sie vergessen waren, sondern weil ihre Musik eine wichtige Botschaft enthält, aus der wir heute noch lernen und Nutzen ziehen können. Das wäre ein wunderbarer Weg, ihnen etwas Gutes zu tun und uns gleich mit.“
So hat Daniel Hope hier Werke von Florence Price, Duke Ellington und Sam Cooke aufgenommen. Musiker, die sich in einer Zeit, als noch Rassentrennung alltäglich war, Gehör verschafften. Die deutsche Soulstimme schlechthin, Joy Denalane, intoniert hier den Klassiker von Sam Cooke „A Change Is Gonna Come“. Obwohl mehr als 50 Jahre alt nach wie vor aktuell.
Daneben finden sich aber auch Stücke eines der bekanntesten und erfolgreichsten Emigranten auf dem Album, Kurt Weill.
Weill, der 1900 in Dessau zur Welt kam, schuf 1928 die Musik zu einem der erfolgreichsten Bühnen-Stücke, der „Dreigroschenoper“ von Bertold Brecht. Damit gelang ihm ein Welterfolg, der ihm sicher auch nach seiner Flucht vor den Nazis die Türen am Broadway öffnete. Weill schaffte es als einer der Wenigen, sich am Broadway durchzusetzen. In den 40er Jahren feierte große Erfolge mit amerikanischen Opern und Musicals. Sein Erfolgsgeheimnis: Er verstand es, eine Musiksprache zu finden, die Avantgarde und Assimilation so wunderbar miteinander verband, dass sie in Deutschland als deutsche, in Frankreich als französische und in Amerika als amerikanische Musik angenommen wurde. Er hat Jazz-Standards geschrieben, die von den größten Musikern immer wieder aufgenommen und interpretiert wurden, so von Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Frank Sinatra, David Bowie – und jetzt eben von Daniel Hope.
Daniel Hope: „America“
VÖ: 04. Februar 2022
Label: Deutsche Grammophon
Foto-Credits: Erik Almås
PS:
2018 hatten wir Gelegenheit für ein Interview mit dem sympathischen Musiker.
© Christian Behring, Januar 2022