Lange war es ruhig um Mia Aegerter. Sehr lange. Zumindest musikalisch. Davon abgesehen hat Mia Aegerter, die Schweizer Singer-Songwriterin, die allerdings schon lange in Berlin-Friedrichshain lebt, ihre Fans in den sozialen Medien immer auf dem Laufenden gehalten. Dort postete sie Bilder von ihrer „Welttournee“ (ein Jahr lang reiste sie um die Welt) genauso wie neue Textzeilen. Wer allerdings auf neue Musik wartete, musste sich echt lange in Geduld fassen.
Ziemlich genau sechs Jahre ist es her, dass sie „Nichts für Feiglinge“ veröffentlichte.
Am 26. Mai 2017 erschien das Album, auf dem sie erstmals hochdeutsch sang und das sie gemeinsam mit Martin Fliegenschmidt produzierte. Inzwischen ist viel passiert im Leben von Mia Aegerter. Vieles davon hat sie jetzt einfließen lassen in die 10 neuen Songs und in die Produktion des Albums. Bevor das Album erscheinen konnte, musste aber noch ein eigenes Label gegründet werden. Bei der Namensfindung konnten sich alle Fans über die sozialen Medien beteiligen. Letztlich entschied sie sich für „Vagabundin Records“. Genauso hieß ja auch ein Titel auf dem letzten Album.
Seit dem 12. Mai 2023 ist es nun draußen.
„Bye bye mein altes ich“ hat sie es genannt. Wenn man davon ausgeht, dass die Texte so persönlich sind, wie es nur sein kann, dann kann man wohl sicher sein, dass dieser Titel Programm ist für ihr Leben. Überhaupt enthält das Album jede Menge großartiger Zeilen die voller Poesie stecken. Man fragt sich beim Hören manches Mal, wo sie diese alle gefunden hat und wünscht sich, dass einem selbst auch mal so etwas einfallen würde („Das Leben schmilzt in Deiner Hand/ wie `n Eis an `nem Sommertag“). Dazu kommen dann noch Melodien und Arrangements, die einen Sog entfalten und hypnotisch wirken, ins Ohr gehen, dass man die Songs nicht mehr aus dem Kopf bekommt, so wie etwa „Aquamarin“.
War „Nichts für Feiglinge“ zuweilen nicht nur melancholisch sondern auch traurig und bestenfalls kämpferisch, ist „Bye bye mein altes ich“ alles andere als traurig.
Eigentlich sagt der Titel ja schon alles, was in dem Album steckt: eine Kampfansage an alle trüben Gedanken. Ein ganz klein bisschen Melancholie steckt zwar noch drin, so wie gleich in den ersten Takten von „Tanz mit der Angst“. Sie beschreibt darin die Angst davor, der eigenen inneren Stärke zu vertrauen. Mit „Bye bye…“ schafft sie es dann aber, die alten Muster über Bord zu werfen. Ihre Veränderung, ihre neue Einstellung zum Leben gipfelt schließlich im letzten Titel des Albums „Seit ich dein Zuhause bin“. Es ist nach „Mein Herz gehört mir schon lang nicht mehr“ das zweite Lied, das sie ihrem kleinen Sohn widmet. Ein Lied, das vor lauter Liebe steckt und den Weg in die Zukunft weist: „Dass sich alles ändert hab ich nie geglaubt/ Jetzt brichst du täglich neue Türen in mir auf. Mein Herz gehört mir/ schon lang nicht mehr – Es rennt da draußen rum mit dir“.
Zu den spirituellen Höhepunkten gehört ohne Zweifel „Aquamarin“.
Ein Lied, das sowohl musikalisch wie auch textlich von psychogener Phantasie beflügelt wurde. Mit „Seit ich dein Zuhause bin“ hat Mia Aegerter gewissermaßen ihr „altes ich“ hinter sich gelassen und scheint nicht nur ihre innere Ruhe, sondern auch ihr „neues ich“ gefunden zu haben: „Mein Egotrip ist gecancelt, ich bleib hier liegen, ich lern im Moment zu sein wenn wir durch die Wohnung fliegen“.
Das klingt doch sehr zufrieden und überaus glücklich….
MIA AEGERTER – „bye bye mein altes ich“
Album-Veröffentlichung: 12.05.2023
Label: Vagabundin Records /Vertrieb: Edel/ Recordjet
PS: das Album wurde wieder über eine Crowdfunding KAmpagne finanziert und gefördert von der Initiative Musik.
© Christian Behring im Mai 2023