Am 28. Januar 2019 wird Achim Reichel 75 Jahre alt. Diesen runden Geburtstag nahm sein Plattenlabel jetzt zum Anlass, eine umfangreiche Zusammenstellung seiner Solo-Arbeiten auf einem Best Of-Album zu veröffentlichen. Am 25. Januar 2019 veröffentlichte BMG die Doppel-CD bzw. das Vierfach-Vinyl-Album mit 37 Titeln, die seit 1976 entstanden.
Natürlich könnte man anmerken, dass doch 1963 schon das erste Album mit Achim Reichel erschien. Aber eben nicht Solo und auch nicht auf Deutsch. Also, nicht meckern, sondern freuen auf das, was man geboten bekommt!
Achim Reichel hat in seiner Karriere, die nun schon mehr als 50 Jahre andauert, mehrfach Haken geschlagen, gilt vielen Musikern als Wegbereiter. Ob Beat-Musik, Psychedelic Rock, Kraut-Rock, New Age, Industrial Rock, Shanty-Rock, Mittelalter-Rock – Achim Reichel gehörte zu den Wegbereitern. Mal als Sänger, mal als Komponist oder auch als Produzent für andere Interpreten. Insofern gilt er völlig zu Recht als „Urvater“ der deutschen Rock- und Pop-Musik.
Anfang der 60er Jahre gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der RATTLES, einer der ersten und erfolgreichsten deutschen Beat-Gruppen. Für kurze Zeit standen die RATTLES immerhin auf einer Stufe mit den Beatles. Die Rattles tourten sogar mit Little Richard, den Rolling Stones und Bo Diddley durch England. Genauso wie die Beatles spielten die RATTLES auch in einem Film mit (Hurra, die Rattles kommen). Aber dann rief Vater Staat, Achim Reichel musste 1966 seinen Wehrdienst ableisten. Nach der Rückkehr hatten die anderen Bandmitglieder längst Ersatz gefunden.
Also gründete er eine neue Band namens WONDERLAND. Gleich die erste Single wurde ein Hit. „Moscow“ schaffte es bis auf Platz 15 der Charts. Produzent war übrigens James Last. Zu den Bandmitgliedern gehörten u.a. Les Humphries, Dicky Tarrach (u.a. Rattles, Randy Pie, Moti Special), Frank Dostal (u.a. Mike Krüger, Roberto Blanco, Vadder Abraham, Goombay Dance Band, Baccara) und Claus-Robert Kruse (David Hasselhoff, Karel Gott, Schiller, Scooter). 1971 löste er die Band wieder auf.
Es folgte A.R. & MACHINES – im Prinzip der Beginn als Solo-Künstler. Allerdings ging es zunächst in eine psychedelische Richtung. Reichel experimentierte nicht nur musikalisch, sondern auch mit diversen Rauschmitteln. „Die grüne Reise“ gilt heute als Meilenstein des „Kraut-Rock“, ist für Fans nicht nur Kult, sondern auch begehrtes Sammler-Stück. Das führte Jahrzehnte später dazu, dass er das Album nicht nur neu digital abmischte, sondern auch ein ausverkauftes Konzert in der Elbphilharmonie gab. Mit A.R. & Machines war Reichel seiner Zeit wieder einmal weit voraus, damals wohl zu weit, um damit Erfolg zu haben. „Die Musik war wirklich innovativ, sie kam nur viel zu früh und im falschen Land.“ So beendete er 1975 das Projekt.
Mit Dat Shanty Alb’m begann für ihn persönlich eine neue Zeitrechnung. Weg von psychedelischen Klängen, weg von der englischen Sprache. Seitdem sind 22 Alben auf Deutsch entstanden. Mal mit Alltagsthemen besetzt, mal verrockt er Seemannslieder, dann wieder plattdeutsche und andere Volkslieder, ein andermal nimmt er sich der großen deutschen Dichter um Goethe, Schiller, Heine oder Fontane an. Der SPIEGEL jubelte damals gar, seine Seemannslieder klängen „…so natürlich und unprätentiös, als hätten sie schon immer diesen Beat gehabt“.
1978 erschien mit Regenballade das erste Album, auf dem er sich ausschließlich der deutschen Klassiker annahm. Seine Version von Fontanes „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“, „ Nis Randers“ (Otto Ernst) oder „John Maynard“ (Fontane) sind inzwischen selbst zu Klassikern geworden. Die STUTTGARTER ZEITUNG lobte ihn dafür, „…unsere Dichter und Denker rocken zu lassen, ohne dabei plump populistisch oder angestrengt schöngeistig zu wirken“. Viel wichtiger aber ist vielleicht, dass er es mit seinen Interpretationen schafft, dass Jugendliche überhaupt einen Zugang zu den Klassikern finden.
Zwischen den Klassiker- und Volksmusik-Alben hat Achim Reichel aber auch immer wieder solche mit zeitgemäßen Texten aufgenommen, so wie etwa Blues in blond (1981) oder Nachtexpress (1983). Dafür tat er sich mit jungen deutschen Dichtern wie Kiev Stingl, Peter Paul Zahl und Jör Fauser zusammen.
Jörg Fauser sind Titel wie „Boxer Kutte“, „Blues in Blond“ oder „Nachtexpress“ zu verdanken. „Der Spieler“ brachte Reichel sogar einen Auftritt in der ZDF-Hitparade ein. „Jörg Fauser hat mich als Lyriker das Laufen gelernt“, sagt Achim Reichel heute rückblickend. Leider starb Fauser viel zu früh durch einen Autounfall. Das Goethe-Institut schickte Achim Reichel 1986, noch zusammen mit Jörg Fauser, deshalb als Kulturbotschafter der besonderen Art nach Ost-Asien.
Mit Melancholie und Sturmflut veröffentlichte Achim Reichel 1991 sein bis heute erfolgreichstes Album. Darin enthalten Kultsongs wie „Kuddel-Daddel-Du“ und vor allem: „Aloha Heja He“! Der Song lag zuvor zehn Jahre lang vergessen in einem Umzugskarton, als wenn er nur darauf gewartet hätte, zum richtigen Zeitpunkt wiederentdeckt zu werden.
Auch wenn er den Erfolg nicht mehr wiederholen konnte, veröffentlicht Reichel in schöner Regelmäßigkeit neue Alben und geht damit auf Tour. Sein bisher letztes Album erschien 2015 und trägt den Titel Raureif.
Und so wird er natürlich auch mit seinem Album Das Beste wieder auf Tour gehen.
Tourneedaten 2019
23.10.2019 Flensburg – Deutsches Haus
24.10.2019 Lübeck – Muk
26.10.2019 Berlin – Admiralspalast (Die Bilder vom Konzert findet ihr auf meiner Photo-Webseite)
28.10.2019 Hannover – Theater Am Aegi
29.10.2019 Hamburg – Laeiszhalle
31.10.2019 Dresden – Alter Schlachthof
01.11.2019 Husum – Kongresszentrum
02.11.2019 Oldenburg – Kulturetage
04.11.2019 Bremen – Glocke
05.11.2019 Braunschweig – Stadthalle
06.11.2019 Osnabrück – Rosenhof
08.11.2019 Mannheim – Musensaal
09.11.2019 Mainz – Frankfurter Hof
11.11.2019 Essen – Lichtburg
12.11.2019 Köln – Gloria
13.11.2019 Nürnberg – Hirsch
15.11.2019 Leipzig – Haus Auensee
16.11.2019 Düsseldorf – Savoy
17.11.2019 Bielefeld – Ringlokschuppen
ACHIM REICHEL – DAS BESTE
VÖ: 25.01.2019 (BMG)
2 CD/4LP/DIGITAL
© Christian Behring, 26.01.2019