Am 3. August 2018 erschien das neue Album von deaf havana, einer britischen Alternative-Rock-Band aus Norfolk. Wobei man hier gleich anmerken Muss: Von dem Alternative-Rock vergangener Alben ist nichts mehr zu hören auf RITUALS.
Vor fünf Jahren traf ich die Band im Berliner Ramones Museum. An einem heißen Juni-Tag des Jahres 2013 hatten sie die Berliner Presse dorthin eingeladen, um sich und ihr Album OLD SOULS vorzustellen. Ein passender Ort für die Art von Musik, für die sie damals standen. Die Band wurde angekündigt als die Zukunft des Alternative Rock. Und ja, dem konnte man damals uneingeschränkt zustimmen. Aber das ist eben fünf Jahre her. Und seitdem ist doch einiges passiert. In der Band gab es Umbesetzungen. Außerdem haben sie 2017 ihr Album All These Countless veröffentlicht, das schon mehr in Richtung Mainstream ging und ihnen die erste TOP-5-Platzierung in den Charts bescherte. Mit RITUALS haben sie sich endgültig vom Alternative Rock verabschiedet.
James Veck-Gilodi, Sänger, Songwriter und Kopf der Band, ist darauf vorbereitet, dass viele Fans vom fünften Album seiner Band überrascht sein werden: „Ich wollte etwas Drastisches kreieren. Ich habe Lust auf den Hass einiger Fans, und ich habe Lust darauf, neue zu gewinnen. Aber wenn die Fans es hören, werden sie hoffentlich nach ihrem Ärger verstehen, dass die Texte genauso persönlich und intensiv sind wie früher. Ich habe sowieso immer Songs mit Popstrukturen geschrieben – ich habe sie bloß immer irgendwie anderweitig versteckt.“
Das gesamte Rituals-Paket ist genau so, wie es sich James Veck-Gilodi für das Album vorgestellt hat: „Das ist das erste Album, das ich komplett für mich allein gemacht habe. Das ist die Musik, die ich zum jetzigen Zeitpunkt machen wollte und ich bin keine Kompromisse eingegangen. Das sind die Songs, die ich schreiben wollte und die die Leute hören sollen.“
Dass er für das neue Album nicht nur Lob ernten wird, dessen kann James Veck-Gilodi sicher sein. Allein schon das Intro „Wake“ dürfte für viel Unverständnis und Irritationen sorgen. Genau wie die beiden letzten Stücke „Saint“ und „Epiphany“ sind es rein elektronische Stücke mit einer Art choralem Gesang.
Als zweiter „richtiger“ Song folgt mit „Sinner“ immerhin eine Nummer, die richtig nach Vorne los geht. Harter Basslauf und ein paar flirrende Gitarren, dazu Veck-Gilodis kräftiger Gesang. Im zweiten Teil des Songs kommen Chor und Claphands dazu, mein Favoriten für`s Live-Programm. „Sinner ist richtig poppig”, gibt Veck-Gilodi fröhlich zu, „und ist sehr weit weg von unserem älteren Zeug; aber nicht ganz so wie einige der anderen Songs.“
Für all jene, die die Alternative-Rock-Band geliebt haben ist dieser Song vermutlich der einzige Hoffnungsschimmer. Bleibt die Frage, inwieweit die neuen Songs in ihr Live-Programm einfließen?
Ob sich der Stilbruch für die Band am Ende auszahlt und sie mehr neue Fans dazugewinnen als sie alte vergrämen, bleibt ebenso abzuwarten.
Ich hätte mich mehr gefreut, wenn sie ihrem alten Stil treu geblieben wären und sich als Alternative-Rock-Band weiterentwickelt hätten. Ich finde das neue Album eher unausgegoren und einfach nur Verschwendung von Zeit und Talent.
deaf havana – RITUALS
VÖ: 3. August 2018
Label: so recordings
Kleiner Nachtrag:
Gerade wurde bekannt, dass die Jungs dieses Jahr noch nach Deutschland kommen. Als Support von Nothing But Thieves kommen deaf havana für vier Konzerte zu uns:
05.11.2018 – Hannover, Capitol
06.11.2018 – Berlin, Astra
09.11.2018 – München, Neue Theaterfabrik
13.11.2018 – Köln, Live Music Hall (ausverkauf)
© Christian Behring im August 2018